Ein wichtiger Schritt für die junge Republik waren die ersten Wahlen im Februar 1919. Erstmals durften bei diesen Wahlen alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ab dem 20. Lebensjahr wählen. Die Republik trat mit dem Anspruch an, alle ihre Bürgerinnen und Bürger gleichzubehandeln.

Im 19. Jahrhundert hatten sich Frauen zusammengeschlossen, um für ihre Rechte einzutreten. Das Frauenwahlrecht war eine zentrale Forderung der international vernetzten bürgerlichen und sozialdemokratischen Frauenbewegungen. Nun wurde es Realität.

Auf den beiden Fotos sehen Sie die ersten weiblichen Abgeordneten, die nach der Wahl in das Parlament einzogen: auf dem linken Bild sieben Sozialdemokratinnen, vorne links zum Beispiel Adelheid Popp. Auf dem rechten Foto sehen Sie die Abgeordneten der Christlichsozialen Partei. Hier sticht Hildegard Burjan mit ihrer weißen Bluse ganz deutlich heraus.

Adelheid Popp und Hildegard Burjan sind auch als großformatige Porträts in diesem Ausstellungsraum vertreten, die Sie später noch genauer erkunden können, wenn Sie möchten.
Hildegard Burjan stammte aus einer jüdischen Familie, war aber zum katholischen Glauben übergetreten. Sie gründete eine Ordensgemeinschaft, die mittellose Frauen unterstützte.

Adelheid Popp stammte aus einer ArbeiterInnenfamilie. Sie engagierte sich bereits in jungen Jahren für die Sozialdemokratie, kämpfte für bessere Arbeitsbedingungen und war Redakteurin in der von ihr mitbegründeten Arbeiterinnen-Zeitung.

In der Monarchie war es Frauen verboten gewesen, sich politisch zu organisieren. Dennoch hatten sich viele Frauen politisch engagiert und dabei Haftstrafen und Verfolgung riskiert. Nun konnten sie erstmals ihre Stimme abgeben und als gewählte Vertreterinnen die Politik mitbestimmen.

Die in der Ersten Republik gewählten Parlamentarierinnen vertraten – je nach Partei – unterschiedliche Positionen. Doch arbeiteten sie zu Beginn der Republik auch parteiübergreifend zusammen, um die Lebenssituation von Frauen zu verbessern.

Ein Beispiel hierfür ist das 1920 umgesetzte Hausgehilfengesetz. Es wurde von Hildegard Burjan und der Sozialdemokratin Anna Boschek vorangebracht und sicherte Dienstmädchen zum Beispiel einen gesetzlichen Anspruch auf Urlaub und Nachtruhe zu.

Mit vielen Anliegen stießen die weiblichen Nationalratsabgeordneten in der Ersten Republik jedoch auf Widerstand. Forderungen wie jene, Schwangerschaftsabbrüche straffrei durchführen zu können, oder eine Reform des Eherechts wurden erst in den 1970er Jahren umgesetzt. Andere, wie die Forderung nach gleichem Lohn für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit, sind bis heute aktuell.

Mit den ersten acht weiblichen Abgeordneten betrug der Anteil von Frauen im Parlament fünf Prozent. Hundert Jahre später, nach den Wahlen des Jahres 2019, waren 39 Prozent der Nationalratsabgeordneten Frauen.