Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1939 begann der nationalsozialistische Staat, Kriegsgefangene, aber auch Zivilistinnen und Zivilisten aus den besetzten Gebieten zu verschleppen und sie zur Zwangsarbeit einzusetzen.

Allein im Sommer 1944 befanden sich außerhalb der Konzentrationslager an die 14 Millionen Menschen in ganz Europa in deutscher Zwangsarbeit, auf dem Gebiet des heutigen Österreich waren es etwa 550.000. Die Lebensrealität von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen – und damit ihre Überlebenschancen – hing unter anderem davon ab, welche vermeintliche „Rasse“ ihnen zugeschrieben wurde. Sowjetische Kriegsgefangene waren den unmenschlichsten Arbeitsbedingungen ausgesetzt.

Die Fotografien in der zweiten Reihe von oben stammen aus dem im Land Salzburg gelegenen Ort Kaprun in den Hohen Tauern. Dort wurden für den Bau eines riesigen Pumpspeicherkraftwerks zwischen 1939 und 1945 etwa 10.000 Menschen in Zwangsarbeit ausgebeutet. Ein Foto zeigt Männer bei der Arbeit mit einfachen Holzschuhen. Auf einem anderen können Sie mehrere Baracken sehen, die hinterste ist mit einem Stacheldraht eingezäunt.

Die Ausbeutung von Mensch und Natur ging hier Hand in Hand. Im Mai 1938, kurze Zeit nach dem sogenannten „Anschluss” Österreichs an das Deutsche Reich, erfolgte der Spatenstich für das Kraftwerk in Kaprun durch Hermann Göring, als Minister unter anderem für Wirtschaft zuständig. In diesem Bauvorhaben verbanden sich romantische und technokratische Vorstellungen, die nicht im Gegensatz zur Auffassung von Naturschutz im Nationalsozialismus standen. Das zeigt sich in Görings Rede zur Spatenstichfeier, bei der er sagte: „Das Wunder der Natur vereinigt sich mit dem Wunder der Technik.“ Zitat Ende.

Im Zuge dieser vermeintlichen „Vereinigung“ waren mehrere Stauseen geplant. Das Kraftwerk Kaprun sollte große Teile der sogenannten Ostmark mit Strom versorgen.

Auf der ganzen Welt hatte man ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit groß angelegten Eingriffen in Gewässer begonnen. Ab 1900 entstanden immer mehr und größere Staudämme etwa zum Hochwasserschutz, Landgewinn, vor allem aber zur Erzeugung von Energie. Diese Kraftwerke hatten eine wirtschaftliche, oftmals auch eine große politische und symbolische Bedeutung.

Pläne für ein Kraftwerk in Kaprun hatte es bereits in der Ersten Republik und in der Dollfuß-SchuschniggDiktatur gegeben. Fertiggestellt wurde es erst 1953. Es besteht aus vier Speicherstauseen, der höchste liegt auf rund 2.000 Metern Seehöhe.

Der größte Teil des Kraftwerks wurde erst nach Kriegsende gebaut, unter anderem mit finanzieller Unterstützung aus den USA. Dass der Bau zu Beginn ein Prestigeprojekt des Nationalsozialismus war, verdrängte man lange.

Das Kraftwerk Kaprun wurde hingegen zu einem wichtigen Symbol für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und für den wirtschaftlichen Fortschritt der 1945 wiederbegründeten Republik Österreich. Der „Mythos Kaprun“ stand für die Fähigkeit des Landes, Energie bereitzustellen und damit den Wohlstand zu sichern, vor allem aber auch für die Bezwingung und Unterwerfung der „wilden“ Natur.