„Ja, Sie sind jetzt besser informiert über Kernkraftwerke. Mit dem Märchen von der Explosion kann man Sie nicht mehr so leicht schrecken, weil Sie mehr wissen – oder mit der Strahlenangst. Sie kennen die Kernfrage. Österreichs Kernkraftwerke sichern unsere Stromversorgung. Sie schützen uns vor Öl-Erpressung, denn Uran gibt es auch bei uns. Kernkraftwerke bedeuten Wirtschaftlichkeit und Unabhängigkeit.“

Atomkraft galt in den 1950er Jahren als unerschöpfliche Energiequelle der Zukunft. Auch in Österreich begann man in dieser Zeit mit den ersten Plänen für den Bau eines Atomkraftwerks.

Der Auszug, den Sie eingangs gehört haben, stammt von 1978 aus einer Fernsehwerbung der GKT, der Gemeinschaftskraftwerk Tullnerfeld GmbH. Diese hätte die Betreibergesellschaft des Atomkraftwerks Zwentendorf in Niederösterreich sein sollen. „Hätte sein sollen“, denn das Kraftwerk wurde zwar ab 1971 mit einem Aufwand von mehreren Milliarden Schilling gebaut, aber nach einer Volksabstimmung nie in Betrieb genommen. Es ist damit das einzige Gebäude der Welt, das ein Atomkraftwerk sein könnte, es aber nicht wurde.

Die nachgedruckten Plakate vor sich können Sie zum Ansehen herausnehmen. Sie stammen von Protesten gegen die Atomkraft, aber auch von den Kampagnen für deren Nutzung.

Den konkreten Beschluss für den Bau eines Atomkraftwerks fällte 1968 eine Regierung der ÖVP. Drei Jahre später wurde der Bau unter einer SPÖ-Regierung begonnen. Mitte der 1970er Jahre setzte eine öffentliche Diskussion darüber ein, ob das Atomkraftwerk wirtschaftlich notwendig sei, wie gefährlich es sei oder was mit dem radioaktiven Atommüll passieren sollte.

Die Entstehung dieser Diskussion ist Ausdruck eines veränderten gesellschaftlichen Klimas in der Folge der sozialen Bewegungen rund um 1968. Weltweit entstand in dieser Zeit auch für ökologische Fragen ein neues Bewusstsein.

Die Proteste kamen aus der Zivilgesellschaft, ein neuer Begriff für politisches Engagement über die traditionellen Parteigrenzen hinweg. Die Anti-Atom-Bewegung versuchte, die öffentliche Meinung mit ihren eigenen Mitteln zu prägen: Demonstrationen, Leserbriefen, Diskussionsveranstaltungen, Publikationen. So konnten auch kleine und regionale Gruppen eine öffentliche Diskussion über die Gefahren der Atomkraft in Gang bringen. Links sehen Sie ein handgeschriebenes Plakat einer dieser ersten, winzigen Initiativen, in der acht Menschen mit einem Protestmarsch durch Österreich Aufmerksamkeit erzeugten.

1977 änderte die ÖVP ihre Meinung und kündigte ihre Unterstützung für den Kraftwerksbau in Zwentendorf auf. Die SPÖ-Regierung hielt daran fest, geriet damit aber immer mehr unter Druck. Nach einem Vorschlag der Sozialistischen Jugend wurde schließlich am 5. November 1978 eine Volksabstimmung durchgeführt. Sie ging denkbar knapp aus, 50,5 Prozent der Stimmberechtigten sprachen sich gegen das Kraftwerk aus.

Heute verbietet in Österreich sogar die Verfassung, dass Atomkraftwerke in Betrieb genommen werden dürfen.


Mit einem Auszug aus:
Werbefilm für das AKW Zwentendorf, EVN.