Armut und Fürsorge in der Ersten Republik: Arbeitslosigkeit und „Heimatrecht“
Das Schild mit der Aufschrift „Betteln und Hausieren verboten“ wirft die Frage auf, wie eine Gesellschaft mit Armut und sozialer Ungleichheit umgeht. In der Diskussion um die Sozialleistungen des Staates ist diese Frage bis heute zentral.
In der Ersten Republik war (je nach Bundesland) Betteln bzw. Vagabundieren verboten. Schilder wie dieses sollten Bettlerinnen und Bettler fernhalten.
Dies war auch die Idee des „Bettelautomaten“, den Sie hier als Nachbau finden können. Diese Erfindung der 1920er Jahre ging nie in Produktion. Bei dem hier nachgebauten Automaten können Sie eine Münze herausdrücken. Darauf finden Sie einen Weblink zum Online-Zeitgeschichte-Lexikon des Hauses der Geschichte Österreich, das auch einige Artikel zum Thema Armut enthält.
Nach dem Ersten Weltkrieg waren weite Teile der Gesellschaft von Armut betroffen. Es fehlte an Lebensmitteln und Heizmaterial, die sich rasch verbreitende Spanische Grippe forderte tausende Todesopfer.
Die junge Republik hatte darüber hinaus die wirtschaftlichen Folgen des Krieges zu bewältigen, wie zum Beispiel die Entwertung des Geldes. Mit der Einführung des Schillings und mithilfe internationaler Kredite konnte die Lage in den 1920er Jahren etwas stabilisiert werden.
In einigen Städten, vor allem im sozialdemokratischen „Roten Wien“, entstanden in dieser Zeit die ersten Gemeindebauten. Durch die Einführung einer Luxussteuer wurde versucht, Arbeiterinnen und Arbeitern menschenwürdige und leistbare Wohnungen zu bieten. Der hier als Lego-Modell dargestellte Karl-Marx-Hof ist einer der bekanntesten Gemeindebauten Österreichs.
In den 1930er Jahren führte eine internationale Wirtschaftskrise auch in Österreich zu einer katastrophalen Situation. Viele Menschen verloren ihre Arbeit oder erhielten weniger Lohn. Sozialleistungen wurden eingespart. Immer mehr Menschen lebten in Armut. Etwa 22 Prozent aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger waren im Jahr 1932 arbeitslos.
Eine Unterstützung vonseiten des Staates war in dieser Zeit an das sogenannte Heimatrecht gebunden – eine Regelung, die noch aus der Monarchie stammte und bis 1938 in Kraft war. Es bedeutete, dass man nur an dem Ort Unterstützung erhielt, an dem man heimatberechtigt war. Dies wiederum war jener Ort, an dem die eigene Mutter zum Zeitpunkt der eigenen Geburt gemeldet war. Auf diese Weise wurden Menschen, die im Laufe ihres Lebens aus ihrer Herkunftsgemeinde weggezogen waren, von Hilfsleistungen ausgeschlossen. Das betraf in den 1930er Jahren in den Städten rund die Hälfte aller Bewohnerinnen und Bewohner.
Wenn Sie nach rechts gehen, vorbei an der großen, hölzernen Wäschemangel und vorbei an der Vitrine mit dem Spiel Spekulation, finden Sie eine weitere Vitrine. Darin liegt ein Kassenbuch eines Armenrats einer hoch verschuldeten Landgemeinde, die viele Arbeitslose aus den Städten zu versorgen hatte. Darüber hängt in einem Rahmen ein Heimatschein.