Verdrängung und Erinnerung: Umgang mit den NS-Verbrechen in der Zweiten Republik
Im Jahr 1945 befreiten alliierte Truppen Österreich von der nationalsozialistischen Herrschaft. Der Zweite Weltkrieg war zu Ende, Österreich wurde wieder ein demokratischer Staat. Ab 1945 spricht man daher von der Zweiten Republik.
Doch wie ging man mit den nationalsozialistischen Verbrechen um?
Sie sehen hier handbeschriebene Kuverts von Briefen, die aus Bosnien, Kroatien und Serbien zwischen 2000 und 2005 nach Österreich gesandt wurden.
Der Empfänger war der Österreichische Versöhnungsfonds. Er diente dazu, ehemalige Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen zu entschädigen. Aus ganz Europa hatten die Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten Menschen verschleppt, um sie zur Arbeit teils unter unmenschlichen Bedingungen zu zwingen, etwa in Rüstungsbetrieben oder in der Landwirtschaft. Allein im Sommer 1944 waren auf dem Gebiet des heutigen Österreich über eine halbe Million Menschen in der Zwangsarbeit eingesetzt.
Der Stapel an vergilbten Papieren in der Vitrine stammt aus den ehemaligen Hermann-Göring-Werken in Linz (der heutigen Voest). Es ist ein kleiner Teil von Personalakten von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen der Jahre 1940 bis 1945. Jedes Blatt steht für eine Person, dieser große Stapel umfasst die Nachnamen, die mit Paa bis Pi beginnen.
Nach 1945 gab es eine kurze Phase der intensiven Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen. Aber schon bald danach beschränkte sich Österreich auf die Behauptung, das schuldlose „erste Opfer“ des Nationalsozialismus gewesen zu sein.
Die eigentlichen Opfer blieben damit ausgeblendet, viele kämpften jahrelang um Anerkennung und Entschädigung. Erst im Lauf der 1980er Jahre begannen eine breitere öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema und die schrittweise Anerkennung verschiedener Opfergruppen.
Ein wichtiger Auslöser dafür war die Debatte im Wahlkampf 1986, aus dem Kurt Waldheim als Bundespräsident hervorging.
Der Versöhnungsfonds zur Entschädigung von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen wurde spät eingerichtet. Nur mehr etwa 15 Prozent der Personen, die Anspruch auf Entschädigung gehabt hätten, waren noch am Leben. Es ging um eine einmalige symbolische Auszahlung von 1.500 bis 7.500 Euro.
„Wiedergutmachung“ ist eine wichtige, aber meist unerreichbare Zielsetzung. Die Aufarbeitung von in der Vergangenheit zugefügtem Unrecht ist jedoch ein wesentlicher – und nicht nur symbolischer – Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit war und ist ein zentrales Thema der Zweiten Republik.