Paula Preradović (1887–1951)
Unmittelbar nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft, am Beginn der Zweiten Republik, wurde bewusst an der Herstellung einer österreichischen Identität gearbeitet – die meisten Österreicher und Österreicherinnen fühlten sich zu diesem Zeitpunkt als Deutsche. Für die Herstellung dieser Identität war es wichtig, sich von Deutschland abzugrenzen. Auch der positive Bezug zur Habsburgermonarchie war ein wesentliches Mittel.
Ein bedeutender Baustein dieser „Identitätsbildung“ war eine neue Bundeshymne. Die Hymne der Ersten Republik sollte nicht wiederverwendet werden, da ihre Melodie der deutschen Hymne zugrunde liegt, die auch unter NS-Herrschaft gesungen wurde.
1946 organisierte Unterrichtsminister Felix Hurdes eine Ausschreibung für den Text. Sie können hier in einigen Texten blättern, die eingereicht wurden. Keiner davon wurde gewählt. Schließlich lud man gezielt mehrere Schriftsteller und Schriftstellerinnen ein, Texte zu verfassen. Ausgewählt wurde jener der Dichterin Paula Preradović. Hinten an der Wand sehen Sie eine noch unfertige Fassung des Texts der Hymne mit Korrekturen.
Paula Preradović war eine begeisterte Anhängerin des „alten“ Österreich, der Habsburgermonarchie. Und sie war eine Gegnerin des Nationalsozialismus gewesen. So scheint es kein Zufall zu sein, dass man ausgerechnet sie gebeten hatte, einen Text für die Hymne zu schreiben.
In vielen von Preradovićs Texten wird eine nostalgische Beziehung zur Monarchie spürbar. Zur Heimat gehörte für sie der Ort, an dem sie aufgewachsen war: Pula in Kroatien, damals Haupthafen der k. u. k. Kriegsmarine, der ihr Vater angehört hatte. In einem ihrer Gedichte beschreibt sie Österreich als „meerferne Heimat“ und beklagt den Verlust des Seezugangs.
Der Titel „Land der Berge, Land am Strome“, der zugleich die erste Zeile der Bundeshymne bildet, ist ein Beispiel der Landschaftsbeschreibungen, die für Preradovićs Lyrik typisch sind und mit denen sie ihrer Heimatliebe Ausdruck verlieh. Dies ist in ihrem Werk, neben ihrem katholischen Glauben, ein zentrales Thema.
Am Monitor können Sie ein Video des Fußball-Länderspiels Österreich gegen Kamerun im Jahr 2002 sehen. Tini Kainrath sang dort die österreichische Bundeshymne und änderte den Text ab. Sie sang von „Töchtern und Söhnen“, entgegen der damals gültigen Fassung, die nur die „großen Söhne“ erwähnte.
Die Interpretation fiel dort niemandem auf, erst im Nachhinein brach eine heftige Debatte in den Medien aus. Nach vielen Diskussionen wurde 2011 eine geschlechterneutrale Version im Gesetz verankert: „Heimat großer Töchter und Söhne“. Seither sind in der Hymne auch alle Staatsbürgerinnen mitgemeint und angesprochen.