Vor sich sehen Sie einen Fußballpokal: Wenn Sie genau hinschauen, erkennen Sie eine Gravur: Schweiz – Österreich. Mit haushohem 8 : 1 siegte im Jahr 1931 die österreichische Nationalmannschaft in diesem Spiel. Dieser Sieg war Teil einer Serie, die der Mannschaft zu dem Beinamen „Wunderteam“ verhalf: Nach einem 5 : 0 gegen Schottland im Jahr 1931 gewann das Team in 16 Spielen zwölfmal, erhielt internationale Anerkennung und wurde schließlich Europameister.

Dieser Pokal befand sich im Besitz von Hugo Meisl, dem Kapitän und Trainer der Mannschaft. Schon als Jugendlicher begeisterte er sich für die neue Sportart Fußball. Als Schiedsrichter, Sportjournalist, Funktionär und Trainer war er maßgeblich an einer Professionalisierung des Fußballsports beteiligt – und an der Entwicklung eines ganz eigenen Spielstils, auch Scheiberln genannt.

Meisl war bekannt für seine oft unverblümten und direkten Aussagen, für sein Auftreten mit Spazierstock und Melone und für seine erstaunliche Vielsprachigkeit, die ihm eine internationale Vernetzung des Sports ermöglichte.

Der Pokal verweist aber nicht nur auf Hugo Meisl und das „Wunderteam“, sondern erzählt noch eine ganz andere Geschichte. Ihnen ist vermutlich schon das Loch im Pokal aufgefallen.

Es handelt sich um einen Durchschuss, der von den Februarkämpfen des Jahres 1934 stammt. Somit gibt der Pokal auf ganz besondere Weise Zeugnis von den völlig gegensätzlichen Entwicklungen Anfang der 1930er Jahre: auf der einen Seite von einem bis dahin ungekannten Österreich-Patriotismus, den die internationalen Erfolge des „Wunderteams“ auslösten. Auf der anderen Seite von der Spaltung und Radikalisierung der Gesellschaft.

Der Pokal befand sich in der Wohnung der Familie Meisl im Karl-Marx-Hof, dem wohl bekanntesten Wiener Gemeindebau. Dieser war einer der zentralen Schauplätze der Kämpfe im Februar 1934.

Ab 1933 hatte Bundeskanzler Engelbert Dollfuß schrittweise begonnen, die Demokratie abzuschaffen. Im Februar 1934 versuchten bewaffnete Verbände der Sozialdemokratie, die Regierung mit Waffengewalt zu bekämpfen. Die Kämpfe fanden an wenigen Orten in Österreich statt und wurden von Bundesheer und Heimwehr nach kurzer Zeit niedergeschlagen.

Im Karl-Marx-Hof wurden viele Wohnungen zerstört, auch jene der Meisls. In der Vitrine vor sich finden Sie weitere Objekte und Dokumente rund um dieses Ereignis sowie Fotografien des Karl-Marx-Hofs nach den Kämpfen.

Die Wahl seines Wohnorts deutet unter anderem darauf hin, dass Hugo Meisl der Sozialdemokratie zugewandt war. Fußball stand für ihn jedoch über der Politik.

Meisl starb im Jahr 1937, sein Begräbnis wurde zum gesellschaftlichen Großereignis. In ganz Europa erschienen seitenlange Nachrufe, nur die Presse im nationalsozialistischen Deutschland schwieg, schließlich stammte Meisl aus einer jüdischen Familie. Das Wirken Hugo Meisls blieb auch nach 1945 lange wenig beachtet, erst in den letzten Jahrzehnten erlangte der „Vater des modernen Fußballs“ wieder größere Bekanntheit.

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